Schwanenflaum
16. Oktober 2006
Die Juristen-Szene schaut gebannt nach Karlsruhe. Über drei Stunden Verhandlung in der Revision gegen das Motassadeq-Urteil des OLG Hamburg.
Einer der drei Verteidiger ist Revisionsspezialist Gerhard Strate aus Hamburg, bundesweit bekannt aus den Verfahren gegen Monika Weimar, wo er eine Wiederaufnahme erreichte. Die Chancen hierfür sind etwa so groß wie beim Versuch, den letzten Jack-Pot zu knacken.
Jetzt hat er seinen Mandanten gegen die Eröffnung des Senatsvorsitzenden Tolksdorf zu verteidigen, der angedeutet hatte, daß Motassadeq Beihilfe zum Massenmord geleistet habe.
Dazu Hans Leyendecker in der Süddeutschen Zeitung vom 13.10.2006 wörtlich:
"Gerhard Strate erklärte..., Motassadeq habe keinen wesentlichen Beitrag zum Massenmord geleistet.
Das hat ein Gewicht wie Schwanenflaum!"
Ein herrliches Bild! Mehr noch: "Ein Satz, der von "Nebenklägern, Bundesanwaltschaft und dem Gericht intensiv diskutiert wurde". Und Leyendecker erklärt uns, wo er herkommt: Es sei ein von Mao Tse Tung gebrauchtes Zitat des alt-chinesischen Schriftstellers Sim Tjiän: "Der Tod des einen ist gewichtiger als der Tai-Berg, der Tod des anderen hat weniger Gewicht als der Schwanenflaum."
Frage ist, ob Justitia über eine Waage verfügt, die Flaumgewicht mißt.
Als Jurist schnalzt man mit der Zunge, wenn man liest, daß sich ein Anwalt so ausdrücken kann. Und: Strate "besetzte" den Begriff!
Ich kenne Strate aus Hamburger Zeiten; ein bescheidener, erzgescheiter Kollege, der in Wort und Schrift eine geschliffene Sprache spricht, belesen ist wie ein Schriftgelehrter, bienenfleißig, scharfsinnig und tiefgründig wie kaum ein anderer. Es war immer eine Freude, ihm zuzuhören.
Dabei ist er - siehe Fall Weimar - ein beharrlicher Verfechter der Mandanteninteressen; und er verteidigt damit zugleich unseren Rechtsstaat.
Eine Zierde unserer Zunft!