Gisbert Bultmann
Rechtsanwalt & Notar a.D.
 

Patchwork

19. November 2006

 

 

Vererben in der "Patchwork - Familie"


Richard Brandl traute seinen Ohren nicht, als am 29. Februar sich eine wildfremde Frau meldete und erklärte, sie sei  die Betreuerin der Schwester seiner Stiefmutter. Er besitze 30.000 Euro, die eigentlich ihr gehörten, und die solle er ihr umgehend in bar auszahlen.

Tatsächlich hatte Richard Brandl geerbt. Sieben Monate zuvor, am 21. Juli 2003, waren Vater Georg und Stiefmutter Franziska Brandl am selben Tag gestorben. Der Vater hatte seinen Sohn im Testament zum Alleinerben bestimmt.

 

Seiner Frau Franziska vermachte er darin das gesamte Geldvermögen. Doch da auch die Stiefmutter kurze Zeit später starb, sieht sich Richard Brandl als Alleinerbe des gesamten Nachlasses. Beim Nachlassgericht teilt man ihm sogar mit, er brauche keinen Erbschein, die Sache sei klar. Die Sparbücher der Eltern werden auf ihn übertragen.

Jetzt soll plötzlich alles anders sein.

Entscheidend sind die Todeszeitpunkte.

 

Der Vater, Georg Brandl stirbt am 21. Juli 2003 laut Sterbeurkunde um 18.30 Uhr. Für eineinhalb Stunden erbt nun seine Ehefrau, Franziska Brandl das Geldvermögen. Doch um 20.05 Uhr am selben Tag, stirbt auch sie.

Franziska Brandl hatte bereits 1985 ebenfalls ein Testament verfasst. Darin bestimmte sie ihren Ehemann, Georg Brandl zum Alleinerben.

 

Da der nun aber vor ihr gestorben ist, erachtet das zuständige Nachlassgericht im nieder-bayerischen Viechtach das Testament von Franziska Brandl als bedeutungslos.

 

Das heißt: Jetzt gilt für ihren Nachlass die gesetzliche Erbfolge. Und das ist der springende Punkt. In dieser kleinen Patchworkfamilie sind Sohn Richard Brandl und Stiefmutter Franziska Brandl nicht verwandt, denn sie hat den Stiefsohn nie adoptiert. Ihr Vermögen geht deshalb an ihre Familie.

 

Das Nachlassgericht Viechtach stellte Erbscheine aus, für ihre Schwester sowie 14 weitere entfernte Verwandte. Sie sollen das Geld bekommen.

Richard Brandl ist enttäuscht. Jahrelang haben er und seine Frau sich um die Eltern gekümmert. Die Verwandten seiner Stiefmutter tauchten nie auf: "Die haben sie nicht im Krankenhaus besucht, nicht im Altersheim, nicht einmal auf der Beerdigung, also nix. Und dann bekommen diese Leute das Geld, was nie der Wille von meinen Eltern war", empört sich Brandl.

 

Er will sein Recht einklagen und wendet sich an einen Rechtsanwalt. Der sieht eine kleine Chance: Seiner Meinung nach besitzen die Erbscheine keine Gültigkeit. Das Gericht, so der Anwalt, dürfe das Testament von Franziska Brandl nicht als bedeutungslos erachten. Der Grund: anstelle ihres Mannes Georg habe sie im Falle seines Ablebens, auch wenn es so im Testament nicht wörtlich geschrieben sei, den Abkömmling ihres Mannes, also den Sohn Richard als Ersatzerben nach § 2096 BGB bedenken wollen. Folgt man dieser Argu-mentation, würde die Erbschaft automatisch auf Richard Brandl übergehen.

 

In einem Verfahren vor dem Amtsgericht Viechtach lässt er deshalb die Ausstellung der Erbscheine überprüfen und konfrontiert das Gericht mit Aussagen von Zeugen: "Wir haben den wirklichen Willen der Verstorbenen noch einmal vorgetragen. Wir haben Zeugen benannt, die bestätigen konnten, dass sie auch im Jahre 1985 schon wollte, dass der Herr Brandl Erbe sein sollte," erklärt der Anwalt.

Auch die Fachzeitschrift für Familienrecht (FamRZ 2000 Heft 1, S.58 ff) listet mehrere Entscheidungen auf, die sich mit "nicht wörtlich bestimmten Ersatzerben" beschäftigt haben. "Insbesondere in der Einsetzung des Ehegatten ist häufig die Einsetzung von dessen Abkömmlingen (d.h. der Stiefkinder des Erblassers) zu Ersatzerben gesehen worden", fasst FamRZ die diesbezügliche Rechtsauslegung zusammen.

Doch das Gericht in Viechtach lässt nur gelten, was im Testament steht. Es müsse, neben der Beachtung der Formvorschriften, klar und eindeutig abgefasst werden, so der Direktor des Amtsgerichts Johann Zankl:

 

"Die Erblasserin, die Ehefrau (hätte) nur einen Satz, entweder in das Testament 1985 rein schreiben müssen oder in einem späteren Testament, nämlich den Satz: Ersatzerbe nach meinem Ehemann wird Herr X, Y. Dann hätte es keinen Streit gegeben. Aber auf Grund der jetzigen Tatsachengrundlage müssen wir von der gesetzlichen Erbfolge ausgehen, so dass also nicht der Stiefsohn erbt, sondern die Verwandten der Ehefrau."

Wäre der Vater nach der Stiefmutter gestorben, wäre Brandl zweifelsfrei der Alleinerbe gewesen. Da die Stiefmutter aber versäumt hatte, ihn als Ersatzerben nach zu bestimmen, erben jetzt andere das elterliche Geldvermögen.

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